Alles was Kinder malen, wandelt und entwickelt sich fortwährend. Kinderbilder sollten deshalb nie losgelöst und isoliert vom gesamten Malprozess betrachtet werden. Dieser ist wesentlich, nicht der Inhalt einzelner Darstellungen.
Auf der Suche nach den bildnerischen Ausdrucksformen von Kindern in verschiedenen Kulturen hat man mit Erstaunen festgestellt, dass sich der Mensch unabhängig von seinem kulturhistorischen Hintergrund mit denselben einfachen Zeichen ausdrückt, um sich und seine Umwelt darzustellen. Jeder Mensch bedient sich eines universellen Formenrepertoires: Aus den ersten Kritzeleien entwickeln sich einfache Formen wie Spirale, Kreis, Punkt, Kreuz und Viereck, die wiederum Ausgangspunkt werden für eine differenzierte Ausgestaltung bis hin zum konkreten Bild.
Kindern geht es in den ersten Jahren nicht darum, etwas Konkretes darzustellen, sondern um das Ausdrücken von Körperempfindungen mit Hilfe dieser Urformen. Später entdecken sie Ähnlichkeiten zwischen diesen Formen und Dingen in ihrer Umwelt: Die Gegenstände werden dann unter einem «Vorwand» benutzt, um Urformen zu malen, sie sozusagen «einzukleiden». Ein Hausdach oder das Segel eines Schiffes ist beispielsweise die Einkleidung des Dreiecks, genauso wie Sonnen, Blumen oder Hände gemalt werden um die «Tastfigur» auszudrücken.
Doch nicht nur Kinder malen Urformen, sie zeigen sich auch auf Bildern von Erwachsenen – Ausdruck für tiefes Verbundensein mit sich selber, dem «Mensch-Sein» und der menschlichen «Ursprache».
Arno Sterns bemerkenswerter Forschung und Arbeit auf diesem Gebiet ist sehr viel zu verdanken, mehr dazu unter LITERATUR.
©Alexandra Gysling